Knast schickt nach Blitz-Flucht von Ahmet A. erst mal ein Fax zur Staatsanwaltschaft
- Oliver Auster
- 4. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Außerdem: Landtag wappnet sich gegen Feinde von innen und Klobürsten sorgen für Schmunzler im Finanzausschuss

Ahmet A. (39) ist vielleicht nur ein kleiner Fisch, seine Flucht aus der JVA Bielefeld sorgt aber weiter für großes Aufsehen. Schon seine Festnahme durch ein SEK wurde aus Versehen live bei TikTok gestreamt, weil der Mann aus Essen gerade in einem Video-Talk war. Als er dann von der JVA Bielefeld in einen anderen Knast verlegt werden sollte, schubste der Parkour-Läufer (ist er wirklich) einen Wärter zur Seite, sprang erst über ein Rolltor, dann über den Knastzaun - und war weg. Was danach folgte, wirft nicht das allerbeste Licht auf die Justiz.
Aus einem öffentlichen und einem vertraulichen Bericht an den Landtag, der dem Landtagsblog vorliegt, kann man die Flucht rekonstruieren:
Am 17.06.2025 um 7:25 Uhr soll Ahmet A. mit dem Gefangenentransportbus U72 vom offenen Vollzug in Bielefeld in den geschlossenen Vollzug in Geldern gebracht werden. Er flieht, fünf Beamte rennen hinterher, finden ihn nicht und rufen erst etwa 10 Minuten später die Polizei.
Die holt das große Besteck raus: Hubschrauber, SEK, insgesamt 95 Beamte suchen Ahmet A. Der ist wohl in ein Taxi gesprungen.
Um 11.59 Uhr meldet die JVA die Flucht per Fax (!) der Staatsanwaltschaft Duisburg. Erst am nächsten Tag wird ein Haftbefehl erlassen - aber erst mal nur deutschlandweit. "Eine internationale Ausschreibung wurde zunächst nicht ins Auge gefasst", heißt es in dem öffentlichen Bericht. Erstaunlich, denn der Flüchtige hat einen türkischen Pass.
Tatsächlich fliegt Ahmet A. am besagten Tag um 7.15 Uhr vom Flughafen Brüssel nach Istanbul. Keiner hält ihn auf, da es eben noch keine internationale Fahndung gibt und die belgischen Polizei-Kollegen nichts ahnen.
Erst am 20. Juni, als Ahmet A. schon lange weg ist (und noch ein Abschiedsfoto mit Kumpels am Brüsseler Airport bei Instagram gezeigt hat), wird ein internationaler Haftbefehl beantragt. Zwei Tage später wird er erlassen, die europaweite Fahndung beginnt am 24. Juni. Also sechs Tage nach dem Abflug in die Türkei.

Blöderweise hatte Ahmet A. laut einem TikTok-Kumpel in seiner Heimat auch noch was bei der Justiz offen, weshalb er am Flughafen tatsächlich verhaftet und ins Gefängnis gebracht wurde. Die deutsche Polizei hat inzwischen Ankara kontaktiert, um sich das bestätigen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft überlegt, Ahmet A. einfach in der Türkei zu lassen. In dem vertraulichen Bericht an den Landtag schreibt die leitende Oberstaatsanwältin:
"Sollte sich der Flüchtige tatsächlich in der Türkei aufhalten, werde ich (...) prüfen lassen, ob eine Abgabe der Vollstreckung an die türkischen Behörden in Betracht kommt."
Das wäre dann allerdings wirklich dumm für Ahmet A. gelaufen: Aus Deutschland in die Türkei geflohen, um dann seine Strafe von hier dort abzusitzen. In Geldern hätte er es wohl gemütlicher gehabt.
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Schluss mit lustig: Der Landtag führt eine „parlamentarische Zuverlässigkeitsprüfung“ für neue Mitarbeiter ein (heißt, man kann sie vorher besser durchleuchten). Außerdem grenzt man die Rechte des Alterspräsidenten ein (damit der keinen Mist wie in Thüringen baut) und verhängt künftig ein Ordnungsgeld von 1000 Euro bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Hausordnung. Das entsprechende Gesetz und die Änderung der Geschäftsordnung wurde von allen Fraktionen (außer der AfD) geeint, das Absegnen kommende Woche ist nur eine Formalie.
Alle Maßnahmen sind der AfD geschuldet. So hatte zum Beispiel der Abgeordnete Klaus Esser einen jungen Mann eingestellt, der vorher in erster Instanz wegen einer antisemitischen Attacke verurteilt worden war. Der Landtag wusste das nicht, bis der Kölner Stadt-Anzeiger die Vergangenheit des Mitarbeiters enthüllte. Was den Alterspräsidenten angeht, liegt der Ursprung wie gesagt in Thüringen. Aber alleine auf die Gefahr hin, dass die AfD irgendwann mal einen über 70-Jährigen in den Landtag bringen könnte, haben die anderen Fraktionen schon mal festgezurrt: Der Alterspräsident hat nichts zu melden.
Auch beim Ordnungsgeld für Verstöße gegen die Hausordnung hatte man die AfD im Kopf: Die benimmt sich in NRW im Landtag zwar halbwegs (bis auf die Pöbeleien im Plenum), aber aus dem Bundestag kennt man das auch anders. Da hatte sich zum Beispiel ein AfD-Politiker in einem Ausschuss aus Protest auf den Platz der amtierenden Vorsitzenden gesetzt. In Baden-Württemberg wurde bei einem AfD-Abgeordneten einst ein Messer und Munition in seinem Landtagsbüro gefunden.
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Das neue Ordnungsgeld gilt auch für solche Fälle. Laut Hausordnung sind Waffen im Landtag (natürlich) verboten. Besucher müssen durch die Sicherheitskontrolle und können eh keine mitbringen. Bei Abgeordneten wäre es - wie bei allen anderen Menschen mit Hausausweis - einfacher, eine Waffe bei sich zu haben. Sollte wirklich jemand auf diese Idee kommen und erwischt werden: Zack, schwerer Verstoß gegen die Hausordnung - 1000 Euro Strafe.
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Immer dieses Landtagsblog... Ralf Witzel (FDP) beklagte sich am Donnerstag im Haushaltsausschuss, dass hier schon vom geheimen Abschlussbericht zur Sanierung der Staatskanzlei zu lesen war - bevor Witzel das Dokument selbst konsultieren konnte. Sorry, man nennt es Journalismus! Aber egal. Das Landtagsblog sorgte auch noch für einen Schmunzelmoment in der gleichen Sitzung. Der Grünen-Finanzexperte Simon Rock hatte hier im Blog offenkundig auch mit Interesse die Klobürsten-Geschichte gelesen und sagte im Finanzausschuss über die Transparenz-Offensive der Landesregierung samt mehrerer Unterlagen für den Landtag:
"Ich finde, da ist eine ganze Menge von Aufklärungsarbeit geleistet worden. Wir haben uns über Leuchtenbeschaffung unterhalten, über Bodenbeläge und selbst über die Beschaffungskriterien und Beschaffungspraktiken von Klobürsten konnten wir jetzt an der Stelle wahrnehmen. Ich muss sagen, es ist mehr Aufklärung, als ich an bestimmten Stellen erwartet habe und auch ein Stück weit erhofft habe. Ich kann nur sagen, bei mir zu Hause ist die Beschaffungspraxis von Klobürsten zumindest kein Thema. Das wir es jetzt hier in dem Bericht haben, zeigt tatsächlich dafür, dass da kein transparenter Stein auf dem anderen geblieben ist und auch keine Frage an der Stelle zumindest offen geblieben ist."
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